Smart Building: In Zukunft wird es ohne nicht gehen
CAFM-NEWS – ESG, explodierende Energiekosten und EU-Taxonomie stellen Immobilienerrichter, -besitzer und -betreiber vor neue Herausforderungen. Entsprechend ist Smart Building Technologie auf dem Vormarsch, langsam zwar, aber stetig. Was hierbei aus der Perspektive eines FM-Dienstleisters wichtig ist, haben wir Dave Gebauer, Regionalleiter Energy & Facility Solutions N/O, und Thilo Asmuß, Head of CAFM N/O, gefragt. Beide sind beim FM-Dienstleister Engie Deutschland beschäftigt.
CAFM-NEWS: Ist smarte Technologie überhaupt eine Hilfe für Facility Management und Facility Services?
Thilo Asmuß: Selbstverständlich, gerade in dem heutigen Zeitalter, in dem alles dokumentiert werden muss, ist es das einfachste, dass das Gebäude anfängt, sich selbst zu dokumentieren und auswertbare Daten zu sammeln. Es wird so deutlich einfacher, auf die Nutzerbedürfnisse einzugehen und diese ins Tagesgeschäft zu integrieren.
Dave Gebauer: Ja, unbedingt. In Zukunft wird es ohne nicht mehr gehen. Neben der Regulatorik – Thema ESG – werden sich die Geschäftsmodelle im FM verändern. Die Grundlage dafür sind Daten. Mit ihnen lässt sich das FM viel stärker mit dem Thema grüner Energieversorgung und grünen Energiemanagements zusammenbringen, was die Branche bei Ihrer Transformation zur Klimaneutralität unterstützt.
CAFM-NEWS: Die Investition in Smart Building Technologie, in Sensoren, Aktoren, Software und Apps, ist relativ hoch. Lohnt sich der Schritt aktuell schon oder ist der ROI noch zu gering?
Asmuß: Je nach Ausgangslage kann es aktuell schwierig sein, einen ROI zu erzielen, da die FM-Strukturen im Tagesgeschäft noch zu starr und unflexibel sind. Somit lassen sich die Ressourcen nicht dynamisch genug einsetzen, um im besten Fall Einsparungen zu erzielen. Ein erster Effekt lässt sich leicht im Bereich des infrastrukturellen Gebäudemanagements (IGM) erzielen. Hier können durch Bewegungs- und Nutzungssensoren die Flächen identifiziert werden, die tatsächlich gereinigt werden müssen, womit Ressourcen optimaler eingesetzt werden können.
Gebauer: Die Investition lohnt sich meines Erachtens im Neubau definitiv. Wir sollten neben dem ROI dabei auch die Mehrwerte für die Zukunft sehen, also das Thema Nutzerzufriedenheit, ESG und neue Geschäftsmodelle im FM. Und wo sich Smart Building Technologie definitiv rechnet, ist auf der Energieseite.
CAFM-NEWS: Welche Vorteile bringt Smart Building Technologie dem Eigentümer einer Bestands-Immobilie und in welcher Weise können die Nutzer eines Smart Buildings von ihr profitieren?
Gebauer: Der Vorteil smarter Technologie für den Bestand ist der gleiche wie im Neubau, mit dem Unterschied, dass der Invest im Bestand aktuell noch höher ist. Allerdings ist bei großen Refurbishments im Bestand der Unterschied zum Neubau bezogen auf Sensoren marginal.
Asmuß: Hier ist Green Building zu nennen oder auch das Well-being-Zertifikat, denn für solche Zertifizierungen werden sämtliche Daten aus dem Gebäude benötigt, die man ohne entsprechende Sensorik nicht erhalten würde. Des Weiteren können im Smart Building die Flächen effizienter genutzt werden, sobald die Bewegungsdaten im Objekt erfasst sind. Ähnlich verhält es sich mit der Einführung von intelligenten Parksystemen. Mit ihnen lassen sich die meist wenigen Parkplätze smart verwalten und so gut wie möglich zu nutzen.
CAFM-NEWS: Unterstützt Smart Building Technologie auch Servicedienstleister im FM?
Gebauer: Die Antwort ist ein klares „Ja!“. Das gilt allerdings nur, wenn schon zu Beginn entsprechend geplant wird, dass also in der Planungsphase Use-cases definiert werden. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Eine Anlage geht in Störung und sendet automatisch ein Ticket an das CAFM-System des Dienstleisters. Die Fragestellung, die sich hieran knüpft, ist: Welche Smart Building Technologien sind in diesem Szenario für Facility Management-Dienstleister besonders wichtig und warum? Aus meiner Sicht als Techniker sind es die Kommunikation zwischen Anlage und CAFM-System und die Nutzungsdaten auf den Flächen, beispielsweise wenn es sich um eine Fahrtreppe handelt. Schön wäre auch ein Daten-See je Immobilie. Ein weiteres Beispiel aus unserer Praxis ist, dass wir versuchen, eine Korrelation zwischen der Anzahl von Nutzern im Gebäude und dem Energieverbrauch abzuschätzen, um die Energiesteuerung zu optimieren.
Asmuß: Noch ein paar Beispiele, um den Nutzen greifbar zu machen: Durch eine smarte Objektverwaltung kann der Dienstleister mit Hilfe von Indoor-Navigation direkt an die ihn betreffenden Bereiche geführt werden. Und durch eine Fernauslese von Störungen können Entstörungen zielgerichteter und besser umgesetzt werden. Fernauslese hilft auch bei der Erfassung und dem Monitoring von Verbrauchsdaten für Medien wie Wasser, Strom, Gas oder Fernwärme.
CAFM-NEWS: Können Servicedienstleister auch bei Planung, Auswahl und Installation von Smart Building Technologie unterstützen?
Asmuß: Das können sie, angefangen bei der Beratung über die Auslegung der Anlagen bis zur Installation der Sensorik. Vorab ist die Auswahl der eingesetzten Systeme auf Praktikabilität zu prüfen, denn je smarter das Gebäude, desto mehr Systeme müssen untereinander kommunizieren, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.
CAFM-NEWS: Was sollten Kunden vorab bedenken, wenn sie Smart Building Technologie einführen wollen?
Asmuß: Es gibt eine Reihe von Kernfragen: Ist der Nutzer sich bewusst, worum es sich bei einem Smart Building wirklich handelt? Werden alle gebotenen Potenziale auch hinterher genutzt? Was möchte der Kunde mit den gewonnenen Daten wirklich machen? Hat der Kunden einen kompetenten Partner, der das Smart Building nachher auch vollumfänglich betreuen kann?
Gebauer: Also kurz und knapp: Welches Ziel der Kunde mit dem Smart Building verfolgt und wie das später gemangt werden soll. Hier können wir natürlich gerne unterstützen.
CAFM-NEWS: Die meisten Gebäude sind schon gebaut. Welche Grenzen gibt es bei Smart Building Technologie mit Blick auf Bestandsgebäude?
Gebauer: Hier gibt es technologisch wenige bzw. keine Grenzen – die Herausforderung liegt natürlich bei der Wirtschaftlichkeit.
Asmuß: Es ist immer eine finanzielle Grenze, die bestimmt, welche Investitionen umgesetzt werden können. Viele Sensoren sind einfach per „Click & Play“ nachzurüsten, müssen dann aber mit einem Netzwerk verbunden werden. Es muss die Frage beantwortet werden, welche technischen Grenzen in der Bestands-TGA vorhanden sind, die für die Steuerung über smarte Sensortechnik ein Hindernis darstellen.
CAFM-NEWS: Was ist die minimale Anforderung, damit sich ein Gebäude „smart“ nennen darf?
Gebauer: Das sollten wir als Branche unbedingt definieren, aktuell wird der Begriff sehr variabel verwendet. Ich meine aber, dass es hierzu bereits eine Initiative von Corenet gibt.
Asmuß: Nach meinem Verständnis ist ein Smart Building it ein vernetztes Gebäude, das auf Basis der gewonnen Informationen in der Lage ist, eigeninitiativ in vorher festgelegten Rahmen Maßnahmen zu ergreifen. Insbesondere sollte hierbei der Fokus auf Energiepotenziale liegen.
CAFM-NEWS: Brauchen smarte Gebäude eine App?
Gebauer: Ich denke tatsächlich nicht – sie brauchen das Backend, über das sich Daten für Mieter, Nutzer und Dienstleister abgreifen lassen, um selbst eine App einzusetzen mit den Diensten, die die jeweilige Partei benötigt. Ich denke, in der Zukunft bringt jeder seine eigene App mit.
Asmuß: Ganz klares „Jein“. An sich benötigt ein Smart Building nur eine Plattform, auf der Daten gesammelt und ausgewertet werden. Der Nutzer muss allerdings die Möglichkeit erhalten, diese Daten ebenfalls auszuwerten und ggf. einzusteuern. Im heutigen Zeitalter empfiehlt sich hierfür der einfach zu nutzende Zugang mittels App, aber eigentlich ist die Art des eingesetzten Endgerätes für diese Steuerung nicht entscheidend.
CAFM-NEWS: Welchen Tipp geben Sie Unternehmen, die überlegen, ob sie Smart Building-Technologie einführen wollen?
Asmuß: Als erstes sollte ein Ziel festgelegt werden, das mit dem Smart Building avisiert ist. Und direkt am Anfang sollte schon klargestellt werden, was und wie man auswerten möchte und was man mit diesen Informationen anfängt.
Gebauer: Ich denke, zum Smart Building gehört auch Mut. Also: Seien Sie mutig! Smart Building-Technologie ist die Zukunft, denn wie schon Albert Einstein warnte: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“
CAFM-NEWS: Vielen Dank für das Gespräch.
Abbildungen: T. Semmler (Titelbild); privat (Porträts)