CAFM-Studie: Erster Versuch mit Verzerrung durch wenig kommunale Beteiligung
(cafm-news) – Gestern haben wir die Ergebnisse der Adcosus CAFM-Studie 2016 zur CAFM-Nutzung in DACH vorgestellt. Hier folgt das Interview mit einem ihrer Initiatoren, Jens Klaubert, Leiter des Competence Centers IT der Adcosus IT Consulting.
CAFM-News: Herr Klaubert, was gab den Impuls für die CAFM-Studie 2016 von Adcosus und Prof. Dr. Julia Hornstein von der Hochschule Ruhr West?
Jens Klaubert: Es stand bei uns bereits seit längerem im Raum, eine Studie mit dieser Fokussierung durchzuführen. Aktuelle Beratungserfahrungen mit unseren Kunden bestätigten uns hierbei und führten dazu, dass wir die Studie nun realisiert haben. Mit Prof. Dr. Julia Hornstein, Inhaberin des Lehrstuhls für Facility Management an der Hochschule Ruhr West, haben wir hierfür die ideale Kooperationspartnerin finden können. Prof. Hornstein beschäftigt sich schon seit langem, sowohl während ihrer Tätigkeit bei Hochtief als auch im Rahmen Ihrer Professur, mit zentralen Fragestellungen im Bereich CAFM. Auch Ihr war es ein Anliegen, mit dieser Studie wesentliche von diesen Fragestellungen zu beantworten.
CAFM-News: Die wievielte Erhebung zum Themenfeld CAFM ist das für Adcosus?
Klaubert: Unsere Unternehmensgruppe beschäftigt sich schon seit mehreren Jahren mit dem Thema CAFM – insbesondere deshalb, weil aufgrund unserer Historie viele unserer Kunden auch heute noch aus dem Immobilienbereich stammen. Zum Thema CAFM publizieren wir daher auch regelmäßig in den einschlägigen Branchenmedien, zuletzt in der Zeitschrift Facility Management, Ausgabe 05/2014. Mit einer branchenübergreifenden Studie möchten wir nun erstmals die Erfahrungen aus unserer Beratungspraxis der Empirie gegenüberstellen.
CAFM-News: Sie geben in der Studie an, das Feld der angesprochenen Teilnehmer umfasst mehr als 1500 Personen. Wie viele von diesen haben Ihnen letztlich geantwortet?
Klaubert: Insgesamt können wir mit der Rücklaufquote sehr zufrieden sein – nur so war es möglich, robuste Schlussfolgerungen abzuleiten. Bezogen auf die Zielgruppe von Unternehmen der öffentlichen Hand lag die Rücklaufquote jedoch leider weit unterhalb unserer Erwartungen.
CAFM-News: Was heißt das in konkreten Zahlen für Unternehmen und für Kommunen?
Klaubert: Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir an dieser Stelle dazu keine Zahlen nennen können.
CAFM-News: Die Studie ist branchenübergreifend. Gibt es trotzdem Daten, die Aufschluss über die prozentuale Zusammensetzung der Branchen gibt?
Klaubert: Nein. Wir haben diesen Aspekt bewusst aus der Diskussion ausgeklammert. Darüber hinaus haben wir eine anonyme Studie durchgeführt – wir wissen also bis auf die Antworten im Rahmen unseres Fragebogens nichts über die Teilnehmer.
CAFM-News: Die Angaben der Teilnehmer lassen auf eher große Immobilienportfolios und Unternehmen schließen. Viele CAFM-Systeme sind aber bei sehr viel kleineren Einheiten im Einsatz. Ist die Studie damit überhaupt repräsentativ?
Klaubert: Sie haben Recht, meist sind CAFM-Systeme nur in kleineren, spezialisierten Einheiten zu finden – diese gehören jedoch wiederum oft zu größeren Unternehmen oder Konzernen. Wir haben diese Umfrage an Unternehmen in der Privatwirtschaft gerichtet, welche mindestens einen Jahresumsatz von 500 Millionen Euro erwirtschaften – diese Einschränkung haben wir für Unternehmen der öffentlichen Hand nicht vorgenommen.
CAFM-News: Die Liste der verwendeten Software ist für Marktbeobachter unter Umständen überraschend. SAP mit Abstand führend, obwohl kein reinrassiges CAFM-System. Loy&Hutz wave Facilities mit 8 Prozent Marktanteil, obwohl noch relativ jung im Markt. Dafür fehlen gestandene Anbieter wie Conject, IMS oder pit-cup. Woran liegt das?
Klaubert: Wir subsumieren fast ein Fünftel (18%) unter dem Bereich „Sonstige“ – hier sind die Lösungen der oben genannten Anbieter enthalten. Die herausgestellten Lösungen, insbesondere beispielsweise Conject und pit-cup, sind bei vielen Unternehmen der öffentlichen Hand im Einsatz. Das die Verteilung von den derzeitigen Marktanteilen oben genannter Anbieter abweicht, war aufgrund der niedrigen Rücklaufquote der Unternehmen der öffentlichen Hand zu erwarten.
CAFM-News: Ein Ergebnis der Studie ist, dass Fragen der Betreiberverantwortung zu wenig unterstützt werden. Eine ganze Reihe von CAFM-Systeme können relevante Regelwerke über Schnittstellen zu entsprechende Services wie REG-IS mit einbinden. Werden solche Optionen von den Befragten nicht genutzt? Und falls ja, warum ist das so?
Klaubert: Meines Erachtens ist den Anwendern der Leistungsumfang der eingesetzten Lösungen nicht immer vollkommen transparent. Daneben muss man jedoch ganz klar sagen, dass zum Beispiel das angesprochene Regelwerks-Informationssystem ebenfalls nur eine Ansammlung von Informationen darstellt, die über eine Schnittstelle dem Anwender verfügbar gemacht werden können. Heutige Lösungen sollten jedoch entsprechende Regelwerke in systemische Funktionalitäten übersetzen, die das Management aktiv bei der Entscheidungsfindung unterstützen – dies ist nicht der Fall.
CAFM-News: Im Kontext der Implementierung zeigt die Studie, dass jedes zweite Projekt dem Zeitplan hinterher hinkt und den Kostenrahmen sprengt. Waren bei der CAFM-Einführung eigentlich auch erfahrene CAFM-Berater mit im Boot?
Klaubert: Das hoffe ich nicht – das würde einer ganzen Reihe von ihnen ein schlechtes Zeugnis ausstellen und ihre Existenzberechtigung in Frage stellen. Im Ernst – ich glaube, dass solche Einführungen viel zu oft ohne professionelle Unterstützung und neben dem eigentlichen Tagesgeschäft umgesetzt werden – mit den dargestellten Folgen.
CAFM-News: Die Akzeptanz der Systeme inhouse scheint bei den Befragten eher mäßig, was sich zum Beispiel an der oft nachlässigen Datenpflege zeigt. In welcher Intensität wurde bei der CAFM-Einführung das Personal der jeweiligen Unternehmen und Organisationen mit eingebunden?
Klaubert: Das müssen Sie die Unternehmen selbst fragen. Grundsätzlich ist die Einbindung der späteren (Haupt-)Nutzer als ein wichtiger Teil der Stakeholder natürlich ein absoluter Erfolgsfaktor im Rahmen der Einführung – einer jeden Software.
CAFM-News: Einige CAFM-Hersteller setzen bewusst auf prozessbasierte Standardisierung, andere individualisieren ihre CAFM-Lösung intensiv nach Kundenwunsch. Zudem lassen sich die meisten Systeme selbst hausintern anpassen. Warum klagen die Studienteilnehmer trotzdem über zu geringe Orientierung am Workflow?
Klaubert: Hier decken sich die Studienergebnisse mit unserer Beratungserfahrung. Nutzer tun sich schwer damit, eine 90-Prozent-Lösung zu akzeptieren beziehungsweise unternehmenseigene Prozesse den Standards der Anbieter anzupassen. Ursache ist oftmals ein vernachlässigtes Change Management im Rahmen der Systemeinführung. Unternehmen mit hoch individualisierten Lösungen können systemisch oft mit der dynamischen Entwicklung ihres Unternehmens nicht Schritt halten – Umstrukturierungen, Akquisitionen, Veränderungen der Workflows und Berechtigungen können meist nur zeitversetzt in den Systemen abgebildet werden. Dies führt in diesen Fällen oft zu Frustration bei den Anwendern.
CAFM-News: Rund die Hälfte der Studienteilnehmer gibt an, bei Ihnen sei zertifizierte CAFM-Software im Einsatz. In der Zusammenfassung der Studie folgen dann ISO 2700 2013 und ISO 27001, also IT-Sicherheitsnormen. Was ist eigentlich mit der GEFMA 444 als Messlatte für die Leistungsbreite von CAFM-Systemen oder der VDI 3810 zur Betreiberverantwortung?
Klaubert: Wir setzen die Zertifizierungen bewusst in den Kontext der IT-Sicherheit und zielen nicht auf beispielsweise den Leistungsumfang der Lösungen ab. In diesem Zusammenhang wollten wir untersuchen, ob ein Zusammenhang zwischen Vorbehalten zum Einsatz neuer Technologien und Betriebsmodellen, zum Beispiel Cloud-Nutzung, und korrespondierender Zertifizierungen auf Anbieterseite besteht. Es hat sich gezeigt, dass große Vorbehalte auf Nutzerseite bestehen, die relevanten Zertifizierungen jedoch in vielen Fällen bei den Anbietern nicht vorhanden sind.
CAFM-News: In der Studienanalyse sagen Sie, CAFM-Systeme bringen insbesondere dem Management nur einen geringen Mehrwert. Liegt das an den Systemen oder an der Art, wie diese jeweils in den Unternehmen eingesetzt werden?
Klaubert: Den Studienergebnissen folgend muss man sagen, dass der volle Leistungsumfang der Systeme selten ausgenutzt wird. Das eigentliche Problem liegt jedoch darin, dass selbst wenn dies der Fall wäre, das Management der Nutzer trotzdem nur in geringem Maße einen Mehrwert daraus ziehen könnte. Die Lösungen lassen die Management-Perspektive leider fast gänzlich außen vor – so fehlen oft hilfreiche Reports, Cockpits und Schnittstellen, welche die Einbindung in übergeordnete Prozesse erleichtern würden.
< CAFM-News: Zahlreiche Hersteller werben doch aber gerade mit ihren Dachboards, den Statistiktools und Reporting-Funktionen. Sind das Nebelkerzen oder sind die bloß falsch konzipiert, um dem Management einen Mehrwert zu bieten?
Klaubert: Es ist doch klar, dass Anbieter Ihre Produkte immer im bestmöglichen Licht darzustellen versuchen. Insbesondere die Studie zeigt jedoch, dass vielfarbige Dashboards kein Garant für die Erfüllung der komplexen Kundenerwartungen sind.
CAFM-News:Welchen Tipp würden Sie auf Basis der Studie den CAFM-Herstellern mit auf den Weg geben?
Klaubert: Die Anbieter erfüllen mit Ihren Systemen die Pflicht – alle möglichen Daten lassen sich halten und integrieren – bis hin zu BIM-Daten. Nun müssen Sie sich in das Management Ihrer Kunden hineinversetzen, um die Kür zu erfüllen: Welche Fragen möchte das Management der Kunden beantworten, bei deren Beantwortung eine CAFM-Lösung hilfreich sein kann? Erst wenn die Anbieter diese Fragen mit ihren Systemen beantworten können, wäre auf der funktionalen Seite nichts mehr auszusetzen.
CAFM-News: Und was raten Sie den CAFM-Anwendern?
Klaubert: Anwender sollten sich mit Ihren unternehmenseigenen Prozessen an Standards etablierter Anbieter orientieren und nur die Anpassung am System vornehmen, welche entweder funktional oder kommerziell große Mehrwerte oder Einsparungen generiert. Um Wettbewerbsvorteile zu realisieren, müssen die Systeme auf allen Geräten, ortsunabhängig verfügbar gemacht werden – mit entsprechenden Betriebsmodellen (SaaS) profitieren einzelne Nutzer neben den geringeren Kosten hierbei nebenbei noch von Produktevolutionen, welche andere Nutzer des Anbieters angestoßen haben. Nutzer mit hoch individualisierten Lösungen werden mit der derzeitigen Innovationsgeschwindigkeit nicht mithalten können, da ihre Lösungen oftmals nicht updatefähig sind und damit immer weiter veralten.
CAFM-News: Vielen Dank für das Interview.
Real Estate Management und Soboll & Herzhoff Management Consultants zählen.
Abbildungen: Privat
Guten Abend,
ich habe besagte Studie selber noch nicht lesen können, werde das aber gerne nachholen. Vorbehaltlich dieser Lektüre, aber generell finde ich diese Initiative sehr begrüßenswert: Gerade in der CAFM -Branche tut Transparenz und übergreifendes Feedback Not und gut.
Auf Basis der hier zur Verfügungen stehenden Ausführungen habe ich jedoch leider den Eindruck gewinnen müssen, dass man sowohl den Anbietern als auch den Anwendern von CAFM eher einen Bärendienst erwiesen hat.
Denn die interessantesten Ergebnisse einer Umfrage werden relativiert, wenn die Datenbasis nicht eindeutig ist.
Eher zufällig als repräsentativ kommt dann auch die prozentuale Aufteilung der Marktanteile der meinerseits mit großer Wertschätzung versehenen CAFM-Anbieter daher (will man denn auch SAP dazu zählen): Diese steht konträr zu meinen eigenen Studien und Beobachtungen und auch zu denen des CAFM-Trendreports der GEFMA.
Alleine die Suggestion, wonach etwa das CAFM von der CONJECT AG oder der pit – cup GmbH vorwiegend bei der öffentlichen Verwaltung im Einsatz sei, ist schon unzutreffend.
Auch ist die Aussage, wonach die CAFM – Anbieter erst noch die „Kür“ zusätzlich zur „Pflicht“ erbringen müssten, um auch dem Management ggü. möglichen Nutzen zu stiften, zielt an der Realität vorbei: Ein großer Teil der CAFM-Anbieter haben die Kür eher übererfüllt. Hier liegt die Herausforderung vielmehr darin, dass die Unterstützerprozesse in den Chefetagen eben noch nicht in dem Maße beachtet werden, wie die Primärprozesse. Das aber liegt nicht an der Software sondern an der Unternehmensstrategie und der ihr zugrunde liegenden -Kultur.
Aber wie eingeleitet, ich muss erst noch die der Studie zugrunde liegenden Fragestellungen kennen, um ausschließen zu können, dass es bei dieser Initiative weniger um das Herbeiführen repräsentativer Transparenz als vielmehr um das Pointieren schon vorher antizipierter Ergebnisse gegangen ist.
Deswegen hoffe ich, dass die Konstruktion der Fragestellungen nicht ähnlich im Verborgenen liegt, wie die Datenbasis der Erhebung. Mit einem guten CAFM-System kann das jedenfalls nicht passieren ;-)
Dennoch besten Dank für diese anregende Beobachtung und Berichterstattung.
RSG
Naja, das ist ja alles gut und schön. Bei der realen Antwortquote und tatsächlichen Rücklaufquote würde ich mit aber eine (erneute?) Nachfrage wünschen. Und: es wurden 1.500 Personen angesprochen. Aha. Von wie vielen Unternehmen mit welcher Rücklauf-Quote.
Ich habe ja Verständnis dafür, dass man die Studie verkaufen will, aber so…
(Achtung: Satire) Ich beabsichtige übrigens 100.000 Personen anzusprechen (in der Fußgängerzone), die sicherlich bei vielen, vielen Unternehmen arbeiten. Und ich erwarte eine tolle Antwort-Quote.
Wie hoch genau? Über meinen Erwartungen.
Die Anzahl meiner Publikationen? Ja, ich habe seit vielen Jahren Erfahrung. Und schon mal was publiziert habe ich auch.
Die Fragen? Ich bitte Sie…das Übliche, neu verpackt.