Was ist wichtig bei einem BIM-Aufmaß im Bestand?

Mit dem BIM-Modell eines Bestandsgebäudes ist vieles möglich, zum Beispiel ein Soll-Ist-Vergleich von Einbauten - Bild: bim-Plat
Mit dem BIM-Modell eines Bestandsgebäudes ist vieles möglich, zum Beispiel ein Soll-Ist-Vergleich von Einbauten – Bild: bim-Plat

CAFM-NEWS – Mit dem langsam wachsenden Wissen um die Möglichkeiten von BIM wird die Methode auch für erste Bauherren interessant, die im Bestand Veränderungen vornehmen möchten und dafür ein BIM-Modell benötigen. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist die Aufnahme des Gebäudes als 3D-Modell. Im Interview erläutert BIM-Experte Michael Plat, worauf bei der Datenaufnahme für BIM zu achten ist.

CAFM-NEWS: Herr Plat, was versteht man unter BIM-Datenaufnahme im Bestand?

Michael Plat: Unter BIM-Datenaufnahme im Bestand versteht man das Sammeln von unterschiedlichen Gebäudedaten wie Gebäudegeometrie, Materialien, Rauminformationen usw., um daraus eine geometrische Datenbank zu erstellen. Die Quelle dafür können alte Zeichnungen, Berechnungen, Dokumente und moderne 3D-Laserscans, so genannte Punktwolken, sein.

Ist die Aufnahme von BIM-Daten Bestand nur wichtig, wenn ein Umbau oder eine Sanierung geplant sind?

Plat: Der Hauptanwendungsfall für den Aufbau eines BIM-Bestandsmodells ist die Notwendigkeit, weitere Planungen für Umbau- oder Sanierungsmaßnahmen anzugehen. Aber eine Anwendung im Gebäudebetrieb und Facility Management ist auch denkbar. Ich bin mir sicher, dass die Nutzung eines BIM-Bestandmodells im Gebäudebetrieb immer wichtiger werden wird.

Welche Technologien empfehlen sich für die Aufnahme von BIM-Daten im Bestand?

Plat: Die richtige Vorgehenswese beim Aufbau eines BIM-Bestandsmodells wäre, mehrere Informationsquellen einzubeziehen wie 3D-Laserscans sowie verschiedene Bestandunterlagen. Alte Zeichnungen repräsentieren oft nicht den tatsächlich gebauten Zustand. Hier würde eine Punktwolke helfen, eine Aussage über die aktuelle Gebäudegeometrie zu treffen. Aber eine Punktwolke gibt auch nur das wieder, was ein menschliches Auge wahrnehmen kann. Mit der Punktwolke alleine kann man also  nicht in die Bauteile hinein oder hinter Verkleidungen schauen. Es ist folglich nicht möglich, Aussagen über z.B. Wand- und Bodenaufbau oder Brand- und Schallschutzeigenschaften zu treffen. Die Antworten auf solche Fragen kann man in alten Dokumenten und Zeichnungen finden.

Welche weiteren Dokumente und Datenquellen wären unter diesem Aspekt sinnvoll mit einzubeziehen?

Plat: Grundsätzlich gilt die Aussage: Je mehr Informationen zum Bestandobjekt vorliegen, desto genauer kann ein BIM-Bestandsmodell aufgebaut werden. Aus alten Unterlagen kann man ersehen, welche Bauteile tragend und nicht tragend sind, wo welche Materialien wie z.B. Stahlbeton oder Mauerwerk damals angedacht waren. Aus einem alten Brandschutzkonzept kann man die Brandschutzanforderungen und aus einem Tragwerksnachweis Betonqualitäten und Stahlgüten entnehmen, usw. Solche Teilinformationen ergeben ein Gesamtbild über das Bauwerk, lassen sich gut miteinander vergleichen und in ein BIM-Modell ergänzend einpflegen.

Lohnt sich eine Datenaufnahme auch mit Blick auf den Betrieb und das Facility Management und was wäre hier besonders zu bedenken?

Plat: Ich bin der Meinung, dass genau beim Gebäudebetrieb und Facility Management die BIM-Vorgehensweise immer mehr an Bedeutung gewinnen wird. Der Grund ist, dass die BIM-Methode den Aufbau einer geometrischen Datenbank beschreibt, in der alle Informationen zum Gebäude in einer einzigen Quelle gebündelt werden und somit eine so genannte Single source of truth bilden.

Besonders zu bedenken wäre hier Folgendes: Ein Gebäude lebt weiter, seine Nutzung und somit Raumaufteilung kann sich ändern, bei neuen technischen Anforderungen kann auch Gebäudetechnik angepasst werden. All diese Anpassungen müssen natürlich immer wieder in das BIM-Bestandmodell eingepflegt werden. Hierzu braucht man eine klare Strategie, die die Umsetzung und Pflege von BIM-Modellen eindeutig beschreibt.

Die Daten einer Punktwolke lassen sich von Grundrissen über Gebäudemodelle bis zu Aufmaßen für vielfältige Zwecke einsetzen. - Bild: bim-Plat
Die Daten einer Punktwolke lassen sich von Grundrissen über Gebäudemodelle bis zu Aufmaßen für vielfältige Zwecke einsetzen. – Bild: bim-Plat

Gibt es ein spezifisches Vorgehen, wenn im Bestand Daten aufgenommen werden sollen?

Plat: Jedes Projekt ist individuell zu betrachten. Wir analysieren bei solchen Aufträgen zuerst die Aufgabenstellung und die Datenlage. Erst danach geben wir unsere Empfehlung zu der weiteren Vorgehensweise ab. Es gibt z.B. Projekte, in denen das Gebäude komplett umgebaut und entkernt wird. In solchen Fällen empfehlen wir unserem Auftraggeber, ein BIM-Modell zuerst nach den Bestandszeichnungen aufzubauen und die 3D-Laserscans erst nach der Entkernung durchzuführen. Wir weisen unsere Auftraggeber auch darauf hin, dass sich aus dem 3D-Laserscan neue Erkenntnisse ergeben können, die in die Planung einfließen müssen und in solchen Fällen die Zeitplanung entsprechend angepasst werden muss.

An welchen Kriterien orientiert sich die notwendige Auflösung der Aufnahme und wie hoch ist sie in den jeweiligen Fällen?

Plat: Die notwendige Auflösung einer 3D-Laserscanaufnahme orientiert sich hauptsächlich an der Genauigkeit und Detailtreue, die für das jeweilige Anwendungsgebiet erforderlich ist. Wir versuchen hier eine Balance zwischen ausreichender Qualität und zeitlichem Aufwand zu finden. Bei kleineren Raumtiefen reicht uns die niedrigste Auflösung vollkommen. Bei größeren Abständen wie z.B. bei einer Fabrik oder bei einer Außenaufnahme setzen wir auf die mittlere Auflösungsstufe. Bis jetzt sahen wir keine Notwendigkeit, mit der höchsten Auflösung unsere Objekte aufzunehmen. Man muss bedenken, dass bei solchen hochauflösenden 3D-Laserscans sehr große Datenmengen entstehen, die spezielle technische Infrastruktur und entsprechende Aufnahme- und Bearbeitungszeit benötigen. 

Woran erkenne ich ein seriöses Angebot für die Datenaufnahme für BIM?

Plat: Ein seriöses Angebot für die BIM-Datenaufnahme erkennt man, wenn der Auftragnehmer:

  • seine Referenzen, Projekte und Auftraggeber vorweisen bzw. benennen kann,
  • fachlich aufklärt, und offen auf Risiken und Möglichkeiten hinweist,
  • ausreichend Personal mit entsprechenden Qualifikationen vorhält,
  • notwendige Zertifizierungen besitzt,
  • einen Vertrag mit ausreichendem Versicherungsschutz vorlegen kann 
  • und dann können natürlich Hinweise aus Netzwerken die Seriosität des Auftragnehmers bestätigen

Gibt es branchenübliche Quadratmeter-Preise oder andere Orientierungsgrößen?

Plat: Durch viele umgesetzte Projekte haben wir gewisse Erfahrungswerte für unsere Kalkulationsbasis gesammelt. Trotzdem variieren Projekte oft ziemlich stark, so dass wir unseren Arbeitsaufwand individuell einschätzen müssen. Zum Beispiel ist ein leerstehendes Großraumbüro viel einfacher aufzunehmen, als ein medizinisches Objekt im Vollbetrieb. Trotzdem kann ich für ein mittelschweres Projekt ein paar Richtwerte von uns nennen:

  • 3D-Laserscan mit Leica RTC360 Scanner – zwischen 1.000 und 1.500 m² pro Arbeitstag.
  • Aufbau eines BIM-Modells mit Autodesk-Revit – 1 Stunde für 10 m² BGF.

Diese Angaben beziehen sich nur auf die Kostengruppe 300 aus der DIN 276.

Herr Plat, vielen Dank für das informative Gespräch.

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Michael Plat ist studierter Architekt und hat als Geschäftsführer von bim-Plat langjährige Erfahrung in der Erfassung von Gebäuden für BIM-Projekte.

Abbildungen: bim-plat

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