Verstecken sinnlos: Greenwalds Buch über Snowden und die NSA-Affäre

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(cafm-news) – Seit einigen Tagen ist es in deutscher Übersetzung auf dem Markt: „Die globale Überwachung“. Das Buch von Glenn Greenwald über die Veröffentlichung der NSA-Dokumente, die er von Edward Snowden bekam, lässt keinen Zweifel an den schon länger bekannten Umständen und Rechtsbrüchen, mit denen der US-amerikanische Supergeheimdienst NSA und seine Kumapne in Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland weltweit ein Klima schaffen, das der englische Original-Titel des Buches weitaus treffender benennt: „No Place To Hide“. Hysterie? Oder doch eher Historie?

Natürlich lässt sich jedem beliebigen Deutschen die Hysterie leicht in die Schuhe schieben, weil das Land in seiner Geschichte gleich zwei unheilvolle Phasen mit übergriffigen Geheimdiensten hat. Mit Blick auf die Hexenjagden eines J. Edward Hoover ist aber auch die Historie nicht weit, zumal, wenn der Buch-Autor Staatsbürger des Land of the Free ist und der analytische Blick auf den Sachverhalt genauer und tiefer schaut.

Jurist und Journalist Greenwald ist US-Amerikaner, er schaut genau und tief, und sein Buch lässt den Leser an der Schau teilhaben. Mit Original-Dokumenten der NSA, durchweg als streng geheim gekennzeichnet, öfter sogar für den ausschließlich NSA-internen Gebrauch klassifiziert. Bekommen hat er sie von Whistleblower Edward Snowden, der das Material während seiner Arbeit für die NSA zusammen trug, es sorgfältig auswählte, akribisch sortierte und katalogisierte, inklusive Glossar und Lexikon, damit Journalist Greenwald, seine Kollegin Laura Poitras und die Journalisten des Guardian die Papiere mit all ihren kryptischen Kürzeln und Interna überhaupt verstehen konnten.

Damit der Leser nicht den Faden verliert, arbeitet auch Greenwald sehr strukturiert. Er fährt die Zeitleiste seiner ersten Kontakte zu Snowden bis zu ihrem Treffen in Hong-Kong ab, um dann in die Unterlagen einzusteigen. Was sich schnell zeigt: Der Patriot Act, der von der Bush-Adminstration zum Kampf gegen den Terrorismus erlassen wurde, und die Befugnisse, die den Geheimdiensten eingeräumt wurden, ist längst außer Kontrolle, wurde praktisch nie gegen Terroristen genutzt, dafür aber im Einklang mit anderen US-Interessen.

Spioniert wird gegen politische, aber auch ökonomische Gegner. Das klingt wie Verschwörungs-Paranoia, wären nicht die Dokumente, die jede einzelne Behauptung mit Belegen direkt von der Quelle untermauern. Alle Aussagen kann Greenwald dokumentieren, selbst der Umbau von Cisco-Hardware durch den NSA, um eine Backdoor zu installieren. Der Grund ist einfach: Cisco-Hardware wird in sehr vielen Netzwerken für Telefonie und Datentransfer eingesetzt. Dokumentiert ist auch die bereitwillige Kooperation von Microsoft, um ihre Cloud-Dienste, Outlook-Services und Skype-Angebote und damit die große Schaar ihrer Nutzer für den Dienst transparent zu machen. Dass Apple, Google, YouTube, Yahoo, AOL und weitere direkte Zugriffe auf ihre Server hinnehmen mussten, ist eh schon bekannt. Ebenso die Überwachung von Angela Merkel – unter anderem. No Place To Hide? Wie man es nimmt.

Die erste Erkenntnis nach den 366 Seiten Lektüre ist, dass die Dreistigkeit, mit der der US-Geheimdienst NSA die Welt ausspioniert und Daten über jeden einzelnen frei von jedem berechtigten Verdacht kumuliert, unfassbar ist und es ermöglicht, beliebige Menschen aus beliebigen Gründen öffentlich transparent zu machen.

Die zweite Erkenntnis ist, dass die sogenannte vierte Gewalt, der Journalismus, in den USA, aber auch beispielsweise in Großbritannien als Kontrollgremium kriminalisiert wird, wenn er Missstände aufdeckt, die angeblich die nationalen Interessen berühren, was vor allem bedeutet, dass sie den Interessen der aktuellen Machthaber nutzen, was nicht zwingend im Interesse des Staates sein muss.

Die dritte Erkenntnis ist, dass guter Glaube und Vertrauen selbst so genannten Freunden gegenüber nicht vor Torheit schützen und Verschlüsselung von lokalen Inhalten und jeglicher Kommunikation überlegt sein soll, insbesondere wenn persönliche oder wirtschaftliche Werte damit verbunden sind. Ergänzend bietet sich noch eine Option an, die für viele nach oldschool klingen wird, aber durchaus sinnvoll sein kann in Zeiten der digitalen Vollüberwachung: Analog ist mitunter die bessere Wahl.

Mehr zu den Gründen und Hintergründen des Buches erläutert Glenn Greenwald auch in einem Video-Interview der Zeit.


Glenn Greenwald: Die globale Überwachung. Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen. Verlag Droemer. Gebunden. 368 Seiten. ISBN 978-3.426-27635-8. 19,99 Euro.


Abbildungen: Droemer

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2 Antworten

  1. Stefan Mende sagt:

    Habe mir das Buch aufgrund der Empfehlung gekauft. Bin zwar noch im ersten Drittel, ist aber absolut empfehlenswert. Danke für den Tipp!

    Grüße, S.Mende

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