Aufzüge besser schon jetzt nach der neuen Norm EN 81-20/50 modernisieren

Mit der neuen Norm EN 81-20/50 kommen viele neue Anforderungen auf die Betreiber von Aufzügen zu

Mit der neuen Norm EN 81-20/50 kommen viele neue Anforderungen auf die Betreiber von Aufzügen zu


(cafm-news) – Bereits 2014 hat das CEN, das europäische Komitee für Normung, die beiden Normen EN 81-20 und EN 81-50 beschlossen, worauf sie Ende 2014 vom Deutschen Institut für Normung DIN veröffentlicht wurden. Damit sind sie parallel bereits seit einem Jahr gültig, werden allerdings erst zum 1. September 2017 verbindlich. Sie führen zu einigen Änderungen für Aufzugseigner und -betreiber. Was genau auf diese zukommt und warum es lohnend ist, Aufzüge schon jetzt nach der kommenden Norm zu modernisieren, beantwortet uns Aufzugberater Achim Werner in diesem Interview.


CAFM-News: Herr Werner, schon wieder haben Betreiber von Aufzügen juristische Neuerungen vor der Brust, denn ab 1. September 2017 gilt verbindlich die europäische Aufzugsnorm EN 81-20/50. Sie soll Aufzüge sicherer machen, zumindest langfristig. Wird das so sein?

Achim Werner: Das Wichtigste, was ein Betreiber wissen muss, ist, dass der Stand der Technik sich an der Aufzuganlagen ändern wird und das bedeutet: Ändert sich der Stand der Technik gemäß BetrSichV, hat der Arbeitgeber eigentlich eine neue Gefährdungsbeurteilung, eine GBU, zu erstellen. Denn die Änderungen betreffen vor allem die Schutzräume in der Schachtgrube und im Schachtkopf. Dazu kommen erhöhte Materialstärken bei Kabinen, Türen, der Balustrade auf der Kabine, der Kabinenbeleuchtung, der Schachtbeleuchtung und einer Inspektionssteuerung in der Schachtgrube, um die wichtigsten Änderungen zu nennen. Die Sicherheit an den Aufzügen ist jetzt schon auf einem hohen Standard.


CAFM-News: Welchem Zweck dient die neue Norm denn dann?

Achim Werner: Durch die neue Norm werden Aufzüge meiner Meinung nach vor allem qualitativ hochwertiger. Beispielsweise werden Kabinen stabiler gebaut, unter anderem mit höheren Blechstärken mit bis zu 1,5 mm. Aktuell werden zum Teil 0,7 mm dünne Bleche verbaut – bei Kabinenwänden von größeren Kabinen kommt mehr Stabilität in die Kabinen. Das gilt auch vor allen bei den Schachttüren. Diese Türen werden nach der neuen Norm solider und schwerer gebaut. Dadurch werden die Türen und Kabinen automatisch wieder langlebiger, so, wie das auch in den 60er und 70er Jahren gewesen ist. Damit endet endlich der Trend, möglichst billig zu bauen und die Aufzugsanlagen praktisch schon bei der Erstellung herunterzuwirtschaften.


CAFM-News: Nun sind es ja zwei Normen, die zeitgleich in Kraft treten und meist als Doppelnummer präsentiert werden – eben als EN 81-20/50. Was genau besagt der erste Teil, die EN 81-20, und was Teil 2, die EN-81-50?

Achim Werner: Die EN 81-20 gilt für den Personen- und Gütertransport. Stichworte sind Schutzräume, Pendelschlagversuche der Schachttüren, welche Tragmittel eingesetzt werden können. Es gibt jetzt auch für Aufzüge Gurte oder Kunststofftragseile und so weiter. Und die EN 81-50 beinhaltet die Konstruktionsregeln für die Berechnungen der Komponenten sowie die dafür notwendigen Prüfungen, die dann an diesen Aufzügen durchgeführt werden.


CAFM-News: Die EN 81-20/50 ist eine europäische Norm. Wie steht Deutschland denn aktuell da? Brauchen wir diese Novellierung?

Achim Werner: Deutschland ist einer der größten Märkte für Aufzuganlagen in Europa. Wir haben aktuell rund 700.000 Anlagen in Betrieb. Was das Alter von Anlagen und eine hieraus resultierende Notwendigkeit zum Austausch europaweit betrifft, kann ich nicht beurteilen. Da wird die EU sicher Statistiken vorliegen haben, die das beantworten. Aber die Aufzüge hier im Land sind, sagen wir mal, schon gut benutzt. Mit Blick auf die Sicherheitsthematik haben wir in Deutschland allerdings mit der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) klare Regeln, die jeder Betreiber einer Aufzugsanlage auch kennen sollte, damit es nicht ein böses Erwachen gibt.


CAFM-News: Mit der EN 81-20/50 werden perspektivisch viele Aufzüge zu Sanierungsfällen und Modernisierung. Um welchen Faktor werden diese Arbeiten im Vergleich zu aktuellen Projekten teurer?

Achim Werner: Es kommt darauf an, von welcher Basis aus Sie agieren und beauftragen. Nehmen wir mal zwei Fälle an: Sie haben einen Aufzug und eine Aufzugsfirma, mit der Sie immer zufrieden waren. Lassen Sie sich von Ihrer Aufzugsfirma ein Angebot geben und – meine Empfehlung – auch wenn Sie zufrieden sind, holen Sie sich ein zweites Angebot einer weiteren Firma ein.
Haben Sie mehrere Aufzüge, werden Sie bestimmt mit einem Berater zusammenarbeiten. Durch die Menge an Aufzügen haben Sie immer die Möglichkeit, für sich bessere Vorteile herauszuholen.
Sie werden sich bestimmt die Frage stellen, warum brauche ich einen Berater?
Man kann einen kundigen Berater immer empfehlen. Erstens kennt er den Markt und seine Qualitäten und weiß, wo er für Sie vielleicht noch bessere Preise aushandeln kann. Denn am Ende macht nicht die Novellierung der Euro-Norm eine Modernisierung teurer, sondern wie klug und mit wie viel Hintergrund- und Fachwissen man verhandelt.


CAFM-News: Was sollten diejenigen tun, die jetzt einen Aufzug planen?

Achim Werner: Nun bin ich selber als Berater in diesem Feld tätig, daher erwarten alle einen Satz wie: Einen Berater mit ins Boot zu holen, ist sicher sinnvoll. Wobei meine Begründung hierfür sicher einleuchtet: Wer lediglich mit Herstellern spricht, erhält die Thematik Aufzug einseitig präsentiert. Jeder Hersteller verkauft ja nur seine Produkte. Ein unabhängiger Berater schafft Überblick über das gesamte Marktspektrum einschließlich Lieferanten von einzelnen Komponenten wie Türen, Steuerungen oder Antrieben. Und da gibt es viel Potenzial für Einsparungen.


CAFM-News: Was sollten die tun, die bereits einen Aufzug in Betrieb haben?

Achim Werner: Wenn nicht schon geschehen, auf jeden Fall eine Gefährdungsbeurteilung erstellen lassen und diese konsequent auswerten. Denn es ist ja schon kurios – alle sind sich im Klaren darüber, dass ein Auto im Vergleich nach spätestens zehn Jahren abgeschrieben ist. Von einer Aufzugsanlage erwarten die meisten, dass diese auch nach 20 Jahren immer noch wie neu sein sollten.


CAFM-News: Nun sind Aufzüge aber auch solider gebaut, sollte man meinen.

Achim Werner: Sie müssen sich im Klaren darüber sein, dass die Ersatzteile für Aufzugsanlagen häufig schon nach 10, spätestens nach 20 Jahren nicht mehr verfügbar sein werden. Habe ich eine Abnahme, die Originalersatzteile vorschreibt, und ich verwende andere, komme ich bei einer Prüfung in die Bredouille und spätestens nach einem Unfall auch in Teufels Küche.


CAFM-News: Gibt es eine Umrüstungs- oder Anpassungspflicht?

Achim Werner: Eine Pflicht gibt es noch nicht. Aber es gibt längst den Straftatbestand des Organisationsverschuldens. Niemand kann gezwungen werden, seine Aufzüge unverzüglich zu modernisieren oder sie aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Aber es ist in der BetrSichV geregelt, dass die Aufzugsanlage als Arbeitsmittel dem Stand der Technik entsprechen muss. Eine kaputte Leiter tauscht jeder sofort aus, einen kaputten Aufzug nicht – denn der ist zu teuer. Teuer wird es aber erst, wenn Personen durch den Aufzug zu Schaden kommen. Soweit sollte man es besser nicht kommen lassen, zumal die BetrSichV auch besagt, dass der Verantwortliche immer der Geschäftsführer respektive die Person in der höchsten Leitungsfunktion ist.


CAFM-News: Wie werden eventuelle Verstöße nach dem Stichtag 1. September 2017 kontrolliert und gegebenenfalls geahndet werden?

Achim Werner: Es ist zurzeit sehr viel Bewegung, was da alles kommt. Ich möchte mich dazu noch nicht äußern, da man jeden Fall für sich betrachten sollte, um dann eine Aussage zu treffen. Was tatsächlich geschieht und wann, werden wir sehen. Wer clever ist, sorgt aber möglichst jetzt schon dafür, dass es nach dem Stichtag keine Probleme gibt.


CAFM-News: Wie steht es eigentlich um den Bestandsschutz? Den gibt es doch auch noch.

Achim Werner: Den Bestandsschutz gibt es in Deutschland nur noch für Paternoster und das ist in mehrfacher Hinsicht ein Spezialfall. Zum einen gibt es in Deutschland nur noch rund 200 Paternoster, davon die meisten in Hamburg und Berlin. Sie sind öffentlich nicht zugänglich und dürfen nur von eingewiesenen Personen benutzt werden. Darüber hinaus gibt es für keine anderen Aufzugsanlagen mehr den Bestandsschutz. Das sollte man wissen, da viele versucht haben, sich darauf auszuruhen.


CAFM-News: Was bedeutet das dann für den Betreiber von Aufzugsanlagen?

Achim Werner: Für praktisch alle Aufzugsanlagen gilt also der Stand der Technik, der aktuell noch in der EN 81-1 A3 geregelt ist, die von der EN 81-20/50 abgelöst wird. Ist der Betreiber Arbeitgeber, ist er voll haftbar, wenn etwas passiert, da der Aufzug ein Arbeitsmittel ist und damit ein Organisationsverschulden vorliegt. Der aktuelle Stand der Technik mit der EN 81-1 A3 ist somit ein Spiel auf Zeit, denn wir befinden uns in einer Übergangsphase. Wer heute modernisieren will oder neu plant, sollte daher schon auf die EN 81-20 aufsetzen. Denn wenn man auch nach der noch gültigen Norm EN 81-1 A3 derzeit nichts falsch macht, wäre eine Aufzugsanlage nach Inkrafttreten der kommenden Norm EN 81-20/50 erneut auf den dann gültigen Stand der Technik zu bringen – das kann man in knapp 18 Monaten von niemandem verlangen. Auf die kommende Norm bereits jetzt aufzusetzen, schafft daher für einige Zeit Investitionssicherheit – und damit auch Ruhe.


CAFM-News: Vielen Dank für das Gespräch!



Hinweis: Lesen Sie ergänzend auch unser Interview zu Aufzügen und der novellierten BetrSichV.


Hans-Joachim Werner, Aufzugberater

Hans-Joachim Werner hat lange Jahre in führender Position bei einem der weltweit größten Aufzughersteller gearbeitet. Heute ist er als herstellerunabhängiger Berater mit seinem Unternehmen W+S Aufzugmanager selbständig tätig. Zu seinen Kunden gehören Kliniken, Hochschulen, Hausverwaltungen und Versicherungen (Bei Gutachten aller Art).


Abbildungen: Thomas Semmler; Hans-Joachim Werner




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